„[…] das ist eine einzigartige Gelegenheit, etwas über das Jenseits zu erfahren, über das echte russische Jenseits!“ (Seite 62)
Im estnischen Viljandi geschehen absonderliche Dinge: Eines Morgens taucht plötzlich der von den Toten auferstandene Nikolai Wassiljewitsch Gogol auf und sorgt für einige Aufregung in einer Gruppe von Kleinkriminellen.
Diese schließen den berühmten Schriftsteller kurzerhand in der Toilette des Lokals „Roman“ ein, setzen Wachen ein und wollen Zeit gewinnen, um herauszufinden, wie und warum Gogol aus dem Totenreich zurückgekehrt ist.
Ich liebe Gogols Werke und habe bisher kaum Berührungspunkte mit Autoren aus dem Baltikum gehabt, so dass ich sehr gespannt auf den Paavo Matsins Roman Gogols Disko war, der mit dem EU-Literaturpreis und dem Preis des Estnischen Kulturkapitals ausgezeichnet wurde.
Mich hat der Roman mit seiner Blumigkeit und Opulenz sprachlich oft an russische Autoren wie Lew Nikolajewitsch Tolstoi erinnert, den ich sehr schätze. Stilistisch und inhaltlich habe ich mich oft in einer ähnlichen Szenerie wie in Michail Afanassjewitsch Bulgakows Der Meister und Margarita gewähnt, und genau wie Der Meister und Margarita ist Gogols Disko wunderbar grotesk, weist aber auch eine andere Ebene auf, in der der Autor Gesellschaftskritik übt und sich auf tatsächliche Konflikte und historische Gegebenheiten bezieht.
Dabei gelingt dem Autor auch, eine Stimmung aufzubauen, die an Gogols Werke erinnert, die häufig auch grotesk sind und die eine ganz besondere Atmosphäre auszeichnet.
Trotz meiner Vergleiche zu Tolstoi und Bulgakow muss ich sagen, dass Gogols Disko keine simple Kopie anderer Bücher ist, sondern wirklich einzigartig und mit den vielen russischen, estnischen und jiddischen Begriffen sprachlich, dem spannenden Plot und den vielen Anspielungen inhaltlich aus der breiten Masse an Romanen hervorsticht. Matsins Roman ist amüsant und schwer in eine Schublade zu pressen: So einen Roman hat man noch nicht gelesen!
Gogols Disko macht nicht nur Lust auf russische Autoren (allen voran Gogol selbst), sondern auch neugierig auf eine literarische Beschäftigung mit dem Baltikum.
Paavo Matsin: Gogols Disko. Aus dem Estnischen von Maximilian Murmann. homunculus verlag, 2021, 176 Seiten; 21 Euro.
Du bist heute schon die zweite, die das Buch mit Bulgakow vergleicht. Ich sollte das wohl wirklich mal lesen 🙂
Echt? Das ist ja witzig. Aber an dem Vergleich ging kein Weg vorbei 🙂