„Bei Themen von solch großem öffentlichen Interesse wie dem Brain-Reading besteht immer die Gefahr, dass die Erwartungen in den Himmel schießen und die gewonnenen Fakten zu sehr aufgebauscht werden. Wir wollen darstellen, was heute wirklich und konkret möglich ist und wo die Herausforderungen, die Stolpersteine und vielleicht sogar die prinzipiellen Grenzen der Hirnforschung liegen.“ (Seite 11)
John-Dylan Haynes und Matthias Eckoldt erzählen in Fenster ins Gehirn von Monismus und Dualismus, Sokrates und René Descartes, Zirbeldrüse und Phrenologie, Wach-OPs und Homunculus, EEG und MRT, Großmutterzellencode und Populationscode, Hirnaktivitätsmuster und Gedankenlesen, subliminales Priming und Träumen, Schmerz und First Person Authority, räumliche und zeitliche Auflösung, Absichten und Libet-Experiment zur Willensfreiheit, Lügen und Täuschungen, Neuromarketing und Belohnungssystem.
Ich habe selbst 15 Jahre in der Hirnforschung gearbeitet, habe mich dabei vor allem mit psychischen Störungen und mit struktureller Bildgebung beschäftigt, kenne die Thematik Hirnforschung also durch eigene praktische Erfahrungen, habe mich dabei aber nie mit Themen wie Bewusstsein etc. befasst. Zudem war ich viele Jahre in der Neurochirurgie tätig, so dass ich auch dadurch Berührungspunkte mit der Thematik hatte. Aufgrund dieser Erfahrungen waren mir einige Inhalte im Buch bereits geläufig und nicht ganz neu. Dennoch bin ich auf sehr viel Neues gestoßen und habe sehr viel gelernt, denn mein Forschungshintergrund war so anders als Haynes’, dass ich mich mit manchen Inhalten des Buches wirklich noch nie beschäftigt habe.
Ich kann aufgrund meiner Vorerfahrungen nicht ganz neutral urteilen, wie leicht verständlich das Buch für absolute Einsteiger ins Thema ist, ich empfand es allerdings als sehr gut lesbar und sehr anschaulich geschrieben, zumal es im Buch Zeichnungen und zahlreiche Beispiele gibt, die die Aussagen des Textes unterstreichen und so zum noch besseren Verständnis beitragen.
Den Einstieg fand ich für mich persönlich etwas zu philosophielastig, bald wird das Buch jedoch sehr praxisnah, thematisiert schließlich auch Psychologie, Biologie und Neurowissenschaften, wobei komplexe Sachverhalte sehr gut zusammengefasst und erklärt wurden.
Ich habe vor ein paar Jahren die Hirnforschung verlassen, was ich für mich als passend und guten Schritt empfinde. Das Buch von Haynes und Eckoldt hat mir aber deutlich vor Augen geführt, was mich so sehr an der Hirnforschung fasziniert hat und wie spannend die Beschäftigung mit unserem Gehirn, seinen Leistungen und seinen Funktionen ist.
John-Dylan Haynes und Matthias Eckoldt: Fenster ins Gehirn. Wie unsere Gedanken entstehen und wie man sie lesen kann. Ullstein Verlag, 2021, 304 Seiten; 24 Euro.