Alles Licht, das wir nicht sehen von Anthony Doerr

„Öffnet eure Augen und seht mit ihnen, was ihr könnt, bevor sie sich für immer schließen.“

Frankreich in den 1940er Jahren: In Paris lebt Marie-Laure mit ihrem Vater, der alles versucht, um seiner blinden Tochter das Leben schöner und einfacher zu machen. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges flüchten Marie-Laure und ihr Vater aus dem geliebten Paris und machen sich auf den Weg nach Saint-Malo, um dort bei Verwandten unterzukommen. Im Gepäck haben sie das „Meer der Flammen“ – vielleicht aber auch nur eine von drei Kopien dieses wertvollen und legendären Diamanten.

Deutschland in den 1940er Jahren: Nach Hitlers Machtergreifung leben Werner und seine Schwester Jutta in einem Waisenhaus im Ruhrgebiet. Werner interessiert sich für alles, was mit Physik und Elektronik zu tun hat, ist bald als Tüftler bekannt und repariert Kleingeräte für die Nachbarn. Aufgrund seiner außergewöhnlichen Fähigkeiten im technischen Bereich wird Werner in der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt aufgenommen. Sein großer Traum ist es, nach der Schule in Berlin Elektromechanik zu studieren. Doch dann wird er an die Ostfront geschickt.

Der Roman Alles Licht, das wir nicht sehen des US-amerikanischen Autors Anthony Doerr hat 2015 den Pulitzer-Preis für Belletristik erhalten, so dass ich auf den Roman sehr gespannt war und vor der Lektüre eine gewisse Erwartungshaltung einnahm. Meiner Meinung nach hat Alles Licht, das wir nicht sehen gehalten, was der Gewinn des Pulitzer-Preises erwarten ließ, denn nur ganz selten passiert es, dass ich wirklich restlos begeistert von einem Roman bin und das Buch schon während des Lesens auf meine Lieblingsbuch-Liste setze. Alles Licht, das wir nicht sehen ist ein solches seltenes Buch, in dem man sich beim Lesen verlieren kann, in dem kein Satz zu viel und keine noch so kleine Handlung unnötig erscheint.

Doerr gelingt es, eine unglaublich authentische und stimmungsvolle Atmosphäre aufzubauen, und er kann dies über das ganze Buch hinweg halten. Es spielt keine Rolle, ob er das Leben von Marie-Laure und ihrem Vater in Paris, ihre Flucht, das Leben in Saint-Malo, Maries Tasten durch das Haus und die Stadt, Werners Leben im Waisenhaus, seine Erfahrungen in der Erziehungsanstalt oder seine Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg beschreibt, stets kann man sich Personen, Orte und Situationen perfekt vorstellen, sich eindenken und einfühlen.

Der Schreibstil ist poetisch, voller Metaphern, aber nie bemüht oder gestelzt. Der Wechsel zwischen mehreren Zeitebenen hat mir gut gefallen und baut viel Spannung auf. Die kurzen Kapitel sorgen dafür, dass man immer weiter und weiter liest, darüber die Zeit vergisst und den Roman kaum zur Seite legen kann.

Anthony Doerr: Alles Licht, das wir nicht sehen. Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence. btb, 2016, 528 Seiten; 11 Euro.

Dieser Post ist Teil des Frankreich-Themas im Juli 2017.

4 Gedanken zu „Alles Licht, das wir nicht sehen von Anthony Doerr“

  1. Ein Frankreich-Spezial bevor ich Ende des Monats dorthin verschwinde, wie schön! Ich habe so etwas eigentlich auch vor, da ich mich sehr auf den Gastlandauftritt freue. Mal sehen, ob ich das aber schaffe, da ich mich doch immer gerne von den Neuerscheinungen und dem Buchpreis und so überrollen lasse. Den Doerr muss ich unbedingt endlich mal lesen. So große Lobeshymnen verbunden mit zwei Verrissen von zwei von mir sehr geschätzten Leserinnen, da habe ich mich bisher selbst nicht getraut. Viele Grüße, Petra

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